Die Schere zwischen Arm und Reich

Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Dafür sorgen in den letzten Jahrzehnten etablierte Mechanismen, die die Schichten immer weiter trennen. Wer arm ist, bleibt arm. Wer reich ist, bleibt reich.
Der Mittelstand schwächelt und wird über kurz oder lang bei gleichbleibender Sachlage ebenfalls zu „arm“ abschmelzen. (KI / AI dürfte einen  Beitrag dazu leisten.) Wie ein schwarzes Loch alle Materie an sich reißt, so zieht Geld magnetisch Geld an. Und Geld nutzt die Macht, die es mit sich bringt, um die Weichen so zu stellen, dass es sich immer schneller automatisch weiter vermehrt.  Zu Lasten der Allgemeinheit.

Phänomen Reichtum

Reichtum entsteht nicht aus dem Nichts

Reichtum entsteht aus der Gesellschaft. Egal, wie fleißig oder intelligent ein Mensch ist: Allein wird er nie reich werden. Reichtum entsteht zumeist aus einem mehr oder weniger großen Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zugunsten des Reichen und aus nicht korrekt eingestellten Parametern in einer Gesellschaft. Die Globalisierung hat dieses Phänomen noch beschleunigt und uns einige neue „Superreiche“ beschert, die sich im Niemandsland zwischen den Nationen tummeln und sich um Pflichten und nationales Recht nur wenig kümmern. Meines Wissens hat keiner der Superreichen als Tellerwäscher angefangen. Die Zeiten sind vorbei – falls es sie je gab.

Der sinnvolle Zweck von Reichtum

Der Ursprung des Strebens nach Reichtum ist Angst. Normalerweise würde es genügen, von allem genug zu haben, um zufrieden zu sein. 

Die Angst, den Zustand des „genug haben“ zu verlieren, bringt so ziemlich alle Menschen (und auch manche Tiere) dazu, zu versuchen, den Wohlstand langfristig zu sichern und für die Zukunft vorzuplanen. Das ist sinnvoll und gehört zur erfolgreichen Überlebensstrategie des Menschen. Der Mensch beginnt zu sammeln und anzuhäufen. Er sichert sich gegen Dürren, Katastrophen, Krankheitszeiten mit Vorräten ab. Mit ein bisschen Glück reicht es auch noch für die nächste Generation.
In einer funktionierenden Gemeinschaft hilft man sich darüber hinaus auch gegenseitig im Vertrauen darauf, dass einem umgekehrt auch geholfen wird. In diesem Bereich dient der Wohlstand oder Reichtum einem sinnvollen, nachvollziehbaren und guten Zweck. 

Mehr als die anderen haben - die Abgrenzung

Die Abgrenzung zu den anderen einer Gemeinschaft, das MEHR haben wollen ist der Anfang der Schere zwischen Arm und Reich. Evolutionär betrachtet gibt es auch dafür Gründe.

Dem erfolgreichen Jäger etwas mehr von der Beute zuzugestehen, damit er am nächsten Tag wieder viel Energie zur Verfügung hat, um erneut erfolgreich für alle Beute zu machen ist sinnvoll. Natürlich wird dieser Unterschied auch dazu führen, dass andere diesem Vorbild des erfolgreichen Jägers nachstreben. Dieser Unterschied ist der Antrieb für Weiterentwicklung und somit auch gesellschaftlich sinnvoll.
Menschen sind unterschiedlich.  Dem entsprechend dürfen sie auch unterschiedliche Positionen in der Gesellschaft einnehmen. Unterschiede sind in einem gewissen Rahmen  vertretbar und gewünscht. 
Talente zu entdecken (Jäger, Sammler oder Pflanzer?) und ihnen Anreize zu geben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln ist für eine Gesellschaft sinnvoll. Ein klares „ja“ zu Unterschieden – solange sie beiden dienen: Dem Individuum und der Gesellschaft. 

Der Kipppunkt - Reichtum als Belastung

Der individuelle Reichtum wird zur Belastung für eine Gesellschaft, wenn die Gier nach Privilegien ausartet. Ein Jäger, der für sich mehr und mehr Beute beansprucht während andere Hungern wird gesellschaftlich zur Belastung. Zeitgleich erfährt er Macht. Durch seinen Überfluß wäre er schließlich in der Lage, die Bedürfnisse der Hungernden zu stillen. Indem er es nicht tut, erhält er sich seine Machtposition. Er entwickelt ein verstärktes Interesse an diesem Defizit. Möglicherweise überjagt er sogar den Wildbestand, um seine Macht zu vergrößern und bringt so die Gesellschaft in Gefahr, während er selbst gar nicht weiß, was er mit der ganzen Beute anfangen soll. Er hat und er hortet. Und er hat wenig Interesse daran, zu teilen. Eine letale Form von Reichtum. Diese Form ist derzeit weit verbreitet. 

Der Unterschied zwischen "verdienen" und "bekommen"

Übermäßiger Reichtum entsteht, wenn jemand durchgehend mehr bekommt als er verdient. Durch den Machtfaktor lässt sich „bekommt“ ab einem bestimmten Zeitpunkt durch „nimmt“ ersetzen. 
Solche Machtfaktoren entstehen in modernen Gesellschaften zum Beispiel durch hohe Arbeitslosenquoten oder durch starke soziale Unterschiede. Die schnelle Globalisierung veränderte in den vergangenen Jahrzenten den Markt vollständig. Die Gesetzgebung hinkt hinterher. Zudem entstand ein immer stärker und aggressiver agierender Lobbyismus, der den Staat als lukrativste Einnahmequelle erkannt hat und zeitgleich dafür gesorgt hat, dass Reiche kaum noch Steuern bezahlen. Es bedeutet: Sie nutzen die Gesellschaft, aber sie bringen sich nicht ein. Statt dessen etabliert sich eine Parallelgesellschaft des Wohlstands. Neofeudalismus. 
Dieser Reichtum entsteht durch Mechanismen, die politisch etabliert wurden. Gesetze, die entweder untauglich sind oder bei denen die Umsetzung blockiert wird (CumEx, CumCum). Und genau an diesen Mechanismen muss gearbeitet werden, um die Schere zwischen Arm und Reich wieder zu schließen. Jedem wird klar sein, dass der Superreichtum nicht „verdient“ im Sinne des Wortes ist. Also sollten wir die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Dafür brauchen wir eine neue, aufmerksamere Politik.